Die Marchfelder Volksbank r.G.m.b.H.
Das war aber nicht der einzige Beschluss dieses Tages, denn gleichzeitig kam es zur Verschmelzung der „Marchfelder Volksbank r.G.m.b.H.“ mit der Spar- und Vorschusskasse r.G.m.b.H. in Marchegg, wie bereits im Abschnitt über diese erwähnt. Das sollte aber nicht die einzige Fusion dieser Jahre bleiben. Am 20. Dezember 1942 wurde durch die Vollversammlung die ebenfalls bereits erwähnte Verschmelzung zwischen der Marchfelder Volksbank als übernehmende Genossenschaft mit der Ersten Gänserndorfer Volksbank als zu übernehmende Genossenschaft beschlossen und vier Tage später, also ausgerechnet zu Weihnachten, in das Genossenschaftsregister eingetragen. Schon zu den Zeiten, als die beiden In-stitute unter Marchfelder Kreditgenossenschaft bzw. Spar- und Vorschussverein Gänserndorf firmierten, hatte es zwischen ihnen bereits personelle Überschneidungen gegeben durch Personen, die zumindest seit 1928 Mitglieder beider Genossenschaften waren – darunter der bereits mehrfach erwähnte Johann Haindl. Er war seit 1933 Obmann-Stellvertreter und seit 1936 Obmann des Spar- und Vorschussvereins Gänserndorf und in dessen Nachfolge der Gänserndorfer Volksbank gewesen.
Durch die Fusion wurde das Geschäftslokal in der Hauptstraße Nr. 1, das dem Spar- und Vorschussverein Gänserndorf bzw. dessen Nachfolgern als Sitz gedient hatte, nun nicht mehr benötigt und zunächst dem Arbeitsamt und später an eine Privatperson untervermietet. Untervermietet deshalb, weil eigentlich ein unkündbares Mietrecht für die Bank dort bestand, von dem sie erst im Jahre 1951 durch die Zahlung einer Ablösesumme von 4.500 Schilling zurücktrat. Doch dazwischen wurde es noch einmal als Ersatzquartier der Bank genutzt, da das Gebäude am Dr. Wilhelm Exner-Platz bei den Kämpfen in den letzten Tagen des 2. Weltkrieges schwere Schäden davongetragen hatte – doch dazu später mehr. Durch die Fusionen war die Marchfelder Volksbank bis zum Jahr 1944 nach Baden bei Wien und Krems an der Donau zur drittgrößten Volksbank des Gaues Niederdonau, wie Niederösterreich in der NS-Zeit hieß, geworden. Es sei auch hier nochmals an die bei den anderen Instituten genauer behandelten Mechanismen erinnert, die diese Entwicklung hervorgerufen haben. Neben der politisch motivierten Einflussnahme auf die Banken waren es aber zumindest auch teilweise rationale wirtschaftliche Gründe, die zu diesen massiven Veränderungen in der Bankenlandschaft geführt hatten.
Wie im Falle von Groß-Enzersdorf dargelegt, bereitete die Fortdauer des Krieges der Bank immer größere Probleme. So wurden immer mehr Bankangehörige eingezogen, was dazu führte, dass die Personalsituation angespannt war und somit auch die Kassastunden und der Parteienverkehr eingeschränkt werden mussten. Gleichzeitig machte sich auch immer mehr das Heranrücken der Front bemerkbar – ein erstes Anzeichen dafür dürfte bereits gewesen sein, dass ein Ausweichlager für die Marchfelder Volksbank bei der Volksbank Tulln geschaffen wurde.
Als am 5. April 1945 das Vorbereitungsfeuer begann und am 6. April die ersten Einheiten der Roten Armee über die Donau und March setzten, wurde das Marchfeld nun direkte Kampfzone. Marchegg wurde nach mehrtägigem Kampf am 9. April genommen, Gänserndorf einen Tag später ebenfalls nach schweren Gefechten. Es kam zu schweren Übergriffen auf die Zivilbevölkerung, bei Frauen vor allem sexueller Natur, Plünderungen etc. Die Versorgungslage war verheerend, und Krankheiten wie Diphtherie, Typhus, Ruhr und Keuchhusten brachen aus. Von den Zerstörungen blieb auch die Marchfelder Volksbank nicht verschont. Betroffen waren davon sowohl der Standort Marchegg als auch jener in Gänserndorf. Beide Gebäude wurden stark beschädigt und auch geplündert. So stellte sich die Situation auch für die Bank in den ersten Nachkriegswochen recht chaotisch dar.
Das Staatsamt für Finanzen, wie das Finanzministerium im Jahr 1945 für kurze Zeit nach der Wiederherstellung der österreichischen Staatlichkeit hieß, bestimmte per Dekret vom 23. Juli 1945 Kommerzialrat Josef Durry aus Marchegg zum Verwalter der Bank. Durry war der Besitzer des Sägewerkes in Marchegg gewesen, das selbst bei den Kämpfen stark getroffen worden war. Überdies wurden durch die sowjetische Armee die verbliebenen Holzvorräte requiriert und zum Bau einer provisorischen Holzbrücke für Nachschubzwecke an der Stelle, wo sich früher die Überfuhr über die March befunden hatte, verwendet. Durry war also bereits in seinem eigentlichen Brotberuf mit dem Thema Wiederaufbau vertraut. Unter seiner Führung wurde der Wiederaufbau der verwüsteten Geschäftslokale vorangetrieben, und es kehrte trotz der katastrophalen Verhältnisse und der schrecklichen Auswirkungen der Kämpfe wieder so etwas wie Ruhe bei der Bank ein. Bereits kurz vor seiner offiziellen Bestellung konnte in Gänserndorf am 16. Juli der Betrieb zumindest notdürftig wieder aufgenommen werden, jedoch für die nächsten Jahre bis 1949 nochmals im ehemaligen Geschäftslokal des Spar- und Vorschussvereins Gänserndorf in der Hauptstraße, wo ja nach wie vor ein Mietverhältnis bestand und es nun so lange als Ausweichquartier dienen konnte, bis das Gebäude am Dr. Wilhelm Exner-Platz wiederhergestellt war. Im Fall der Hauptanstalt in Marchegg-Bahnhof, wo das Geschäftslokal erst nach einiger Zeit von der sowjetischen Armee freigegeben wurde, dauerte dies hingegen noch fast bis Ende des Jahres, ehe am 1. Dezember auch hier die Schalter wieder öffnen konnten.

Trotz aller Schwierigkeiten brachten bereits die ersten Nachkriegsjahre einen stetigen Aufwärtstrend. Dieser manifestierte sich durch die rasche Erweiterung der Bank, die bereits 1947 mit Leopoldsdorf im Marchfeld begann. Im Ort hatte die Marchfelder Volksbank ja bereits 1940 kurzfristig eine provisorische Zahlstelle im Gasthaus von Josef List betrieben, was vielleicht mit ein Grund war, Leopoldsdorf als Standort für eine neue Filiale ins Auge zu fassen. Außerdem bestand dem Vernehmen nach in der Bevölkerung des Ortes und seiner Umgebung Interesse an der Einrichtung einer Filiale der Bank. Da auch die weiteren Gegebenheiten dort günstig erschienen, kam es am 3. November 1947 zur Eröffnung der dortigen Zweigstelle unter Filialleiter Hubert Schweinberger, der aus Gänserndorf hierher kam. Aller Anfang war dabei schwierig: So waren es gerade einmal 12 qm, die im Haus Hauptstraße Nr. 6 – heute befindet sich dort eine Kaffee-Konditorei – für die Filiale angemietet wurden.
Der Not der Nachkriegsjahre entsprechend war auch die Einrichtung der Filiale: Sie bestand aus einer alten Kassa aus Marchegg, Regalen, die einst in einer Drogerie Verwendung gefunden hatten, einem gebrauchten Pult und zwei ramponierten Schreibtischen, bei den die Laden bereits fehlten. Doch dies begann sich rasch zu ändern – gut ein Jahr später, am 17. November 1948, wurde schräg vis-a-vis des Filialstandortes ein altes Bauernhaus, in dem aber seit Jahren bereits ein kleines Süßwarengeschäft betrieben wurde, heute Hauptstraße Nr. 25, um 47.000 US-Dollar gekauft. Der insbesondere in der sowjetischen Besatzungszone darniederliegende Immobilienmarkt machte den Ankauf damals relativ einfach. Dass der Kauf in US-Dollar abgewickelt wurde, ist vor dem zeitlichen Hintergrund zu verstehen – der nun wieder als Währung eingeführte Schilling erlebte durch die schlechte wirtschaftliche Lage und die zusätzlichen Besatzungskosten, die ein Drittel der Staatsausgaben ausmachten, eine rasante Talfahrt, die erst durch eine restriktive Geldpolitik und die Abwertung des Schillings Anfang der 1950er Jahre gestoppt werden konnte. Das alte Haus wurde nach dem Kauf abgerissen und an seiner Stelle die neue Bankfiliale erbaut. Am 15. Juli 1949 fand die feierliche Eröffnungsfeier statt.

Ihr heutiges Gesicht erhielt sie aber erst durch mehrfache Umbauten, so in den Jahren 1957, 1960, 1975 und besonders 1995. Damals musste der Betrieb auf einige Zeit in einen Container im Hof verlagert werden, um einerseits die Filiale mit moderner EDV zukunftsfit zu machen und andererseits einen neuen Kassensaal zu erbauen, der am 25. November 1995 eröffnet wurde. Anfangs entstammte der Kundenkreis, der Prägung des Ortes entsprechend, in großer Zahl aus dem bäuerlichen Milieu, aber auch die volksbankentypische Kundschaft aus dem Gewerbe fehlte nicht. Das Einzugsgebiet, das über den Standort in Leopoldsdorf, bis zur Errichtung weiterer Filialen betreut wurde, reichte bis Engelhartstetten, Loimersdorf, Haringsee, Breitstetten, Straudorf, Witzelsdorf, Wagram an der Donau, Eckartsau und Fuchsenbigl – es war also vor allem das südöstlich von Leopoldsdorf gelegene Gebiet – mitunter bei den früheren Verkehrsverhältnissen eine Herausforderung, die dortige Kundschaft vor Ort mit Hausbesuchen zu betreuen.
Das Bankgebäude wurde aber auch zur Heimat und das nicht nur im arbeitstechnischen Sinne gesehen, denn in Leopoldsdorf gab es im Obergeschoss des Hauses, wie in Marchegg-Stadt und Gänserndorf, eine Dienstwohnung für Angestellte der Bank. So war der erste Filialleiter, Hubert Schweinberger, mit seiner jungen Familie in die neue Wohnung eingezogen. Sein Sohn, Hubert Schweinberger jun., wuchs somit förmlich in die Bank hinein und wurde Jahre später sein direkter Nachfolger als Filialleiter von Leopoldsdorf und lebte später selbst mit seiner Familie in dieser Wohnung.
Die seit der Mitte des 19. Jh. aufgekommenen Sparvereine, die Geselligkeit in Gast- und Kaffeehäusern mit dem Zweck des Sparens verbanden, erlebten nach dem 2. Weltkrieg eine neue Blüte. Es gab sie an allen größeren Standorten der heutigen Marchfelder Bank – in Groß-Enzersdorf waren es alleine vier oder fünf, die in Beziehung zur Volksbank standen, wozu noch weitere kamen, die mit anderen Banken kooperierten. Als konkretes Beispiel für das Zusammenspiel zwischen der Bank und den Sparvereinen sei aber Leopoldsdorf hier etwas genauer beleuchtet. Die Tradition von Sparvereinen reicht dort bis in die Zwischenkriegszeit zurück. Nach dem 2. Weltkrieg erfolgte eine Neugründung, die ab 1949 mit der Marchfelder Volksbank verbunden war. Die wöchentlichen Treffen und Einzahlungen des bzw. der Sparvereine fanden in wechselnden Gastronomiebetrieben statt, was sich über die Jahrzehnte mit der Lokallandschaft des Ortes veränderte. Zunächst befand sich aber die Einzahlstelle im Café Schramm in der Wiener Straße, wo sich der Verein so großer Beliebtheit erfreute, dass bald weitere Einzahlstellen in den Gasthäusern Schipits bzw. Zuckerfabrik entstanden. Schon der Name des Vereins, „Frohe Weihnacht“, lässt erahnen, dass die Auszahlung des Sparvereins im Advent, meist am 8. Dezember, stattfand.
Die Eröffnung des neuen Bankgebäudes in Leopoldsdorf 1949 war aber nicht das einzige Großereignis dieses Jahres in der Geschichte der Bank; doch gilt es dafür noch einmal in das Jahr 1947 zurückzublenden. Durch die Verlegung der Bezirksgerichte Matzen und Marchegg 1945 nach Gänserndorf war die Zentralfunktion des Ortes weiter angewachsen, womit sich für die Marchfelder Volksbank auch die Frage stellte, in Hinkunft dort ihre Zentrale einzurichten. Übrigens war die Option einer Verlegung des Sitzes nach Gänserndorf bereits im Verschmelzungsvertrag zwischen der Gänserndorfer Volksbank und der Marchfelder Volksbank, „[…] sobald es das Interesse der Genossenschaft erfordert […]“, unter Paragraf 13 als Option für die Zukunft in Betracht gezogen worden. Das Thema war also nicht gänzlich neu, als ein erster Versuch, dies in der Generalversammlung vom 15. Juni 1947 zu beschließen, noch scheiterte. Ein weiterer Grund für das schließlich erfolgreiche Ansinnen, die Zentrale zu verlegen, dürfte auch der sich zunehmend verschärfende Ost-West-Konflikt gewesen sein. 1948 hatten die Kommunisten die Macht in der damaligen Tschechoslowakei übernommen. War die Grenze bis dahin noch verhältnismäßig leicht überwindbar, so begann man von tschechoslowakischer Seite aus ab 1950 Grenzzonen zu errichten, die nur mehr schwer passierbar waren, was sich in den Folgejahren mit dem Ausbau des Eisernen Vorhangs an der Grenze zu Österreich immer weiter verschärfte.
Marchegg lag damit direkt an einer „toten Grenze“, was sich auch in der Bevölkerungsentwicklung der Stadt widerspiegelt, die einen stetigen Abwärtstrend aufweist. Dieser hielt lange an und kehrte sich erst nach der großen Wende des Jahres 1989 im ehemaligen „Ostblock“ Anfang der 1990er Jahre um. Auch wenn die unsichere und vom zeitgenössischen Standpunkt her unvorhersehbare Entwicklung an der Grenze als Grund nie dezidiert erwähnt wird, so könnte doch auch dies zum Gelingen der Verlegung nach Gänserndorf beigetragen haben. Auffällig mag vielleicht schon davor gewesen sein, dass seit 1945 die Geschäftspapiere der Marchfelder Volksbank lediglich mit dem Namen der Bank gekennzeichnet waren, jedoch keine Ortsangabe mehr enthielten. Dies änderte sich erst nach der Verlegung des Hauptsitzes nach Gänserndorf wieder. So war die Entwicklung nicht mehr aufzuhalten. Im zweiten Anlauf, in der Generalversammlung am 3. Juli 1949, die übrigens in Leopoldsdorf abgehalten wurde, was wohl bei der bevorstehenden Eröffnung des Neubaus der dortigen Filiale kein Zufall gewesen ist, wurde der Beschluss zur Verlegung des Hauptsitzes nach Gänserndorf tatsächlich gefasst und bis in das folgende Jahr 1950 abgeschlossen.
Die Wirtschaftswunderjahre mit ihrem rasanten Aufschwung ab den 1950er Jahren wirkten sich auch auf die Marchfelder Volksbank positiv aus und brachten der Bank ein stetiges Wachstum. So war die Hauptanstalt in Gänserndorf bald zu klein geworden, um dem gesteigerten Kundenaufkommen und Verwaltungsaufwand gerecht zu werden. Deshalb kam es bereits in den Jahren 1954/55 zu einer Vergrößerung des Geschäftslokals durch Um- und Zubau.

Außerdem wurde in der Vorstandssitzung vom 18. August 1950 beschlossen, in Lassee jeden Dienstagvormittag einen Kommissionstag der Marchfelder Volksbank abzuhalten, zunächst im Gasthaus Busam, später in anderen Wirtshäusern des Ortes – womit der Same für die spätere Entwicklung der Marchfelder Volksbank dort gesät wurde.
Auch in Marchegg kam es zu Veränderungen – dort gab es den Wunsch, dass die Bank in das Zentrum der Stadt übersiedle, dem 1959 Rechnung getragen wurde. So übersiedelte die Filiale respektive die ehemalige Hauptanstalt der Marchfelder Volksbank von der Bahnstraße in Marchegg-Bahnhof nach Marchegg-Stadt in das Haus Hauptplatz Nr. 32, das für den Filialbetrieb hergerichtet wurde. Diese Liegenschaft hatte schon im Jahre 1940 die Spar- und Vorschusskasse March-egg in die Bankenehe mit der Marchfelder Volksbank eingebracht.
An dem Standort sollte auch die Filiale Marchegg-Stadt bis zu deren Schließung 2022 schließlich verbleiben. Nur das Erscheinungsbild des Gebäudes sollte sich noch verändern, da es im Jahre 1965 um ein erstes Stockwerk erweitert wurde.
Die Liegenschaft in der Bahnstraße von Marchegg-Bahnhof wurde schließlich 1970 verkauft. Um das Fehlen der Bank in Marchegg-Bahnhof zu kompensieren, wurde ein kleiner Raum des Bahnhofsgebäudes angemietet, von dem aus der Kundenverkehr über ein Fenster aus abgewickelt wurde, passend zum Standort ähnlich einem Bahnschalter. Anfangs handelte es sich dabei um eine einfache Wechselstube – wenn man es so sehen möchte, war die Bank am Bahnhof in Marchegg in gewisser Weise zu ihren dortigen Anfängen im Jahre 1920 zurückgekehrt, als es dort mit einer Wechselstube begonnen hatte. Die täglichen Öffnungszeiten waren an die jeweilige Ankunft der Züge aus Bratislava gekoppelt. Es darf ja nicht vergessen werden, dass die Bahnlinie von Wien über Marchegg nach Bratislava eine der wenigen Stellen war, wo es, wenn auch mit vielen Hürden verbunden, die sich je nach politischer Großwetterlage zwischen Ost und West richteten, überhaupt möglich war, den Eisernen Vorhang zur damaligen Tschechoslowakei zu passieren.
Ein dramatischer Tag in der Geschichte der Filiale war der 28. September 1973. Am Vormittag dieses Tages erreichte den diensthabenden Mitarbeiter in der Filiale, Herrn Schweinberger jun., späterer Filialleiter von Leopoldsdorf, ein Anruf mit der Aufforderung, alles liegen und stehen zu lassen und so schnell wie möglich den Bahnhof zu verlassen. Was Herr Schweinbeger erst im Nachhinein erfuhr, war, dass es am Marchegger Bahnhof zu einer Geiselnahme gekommen war. Hintergrund war das seit 1965 in Schloss Schönau an der Triesting im Bezirk Baden bestehende Übergangslager für jüdische Emigrantinnen und Emigranten nach Israel, die aus den Ostblockländern, vor allem der Sowjetunion, stammten. Damals nahmen zwei syrische Terroristen mehrere Personen, die gerade von der Sowjetunion kommend mit dem Zug die Grenze nach Österreich passiert hatten, und einen Zollwachebeamten als Geiseln, um die Schließung des Transitlagers zu erzwingen. Die österreichische Regierung unter Kreisky gab den Forderungen nach, womit glücklicherweise die Geiselnahme zu einem unblutigen Ende kam. Die Terroristen fuhren mit einem gestohlenen VW-Bus und einem Teil der Geiseln von Marchegg zum Flughafen nach Schwechat, wo sie nach Erfüllung der Forderungen und Freilassung der Geiseln Österreich mit einem Flugzeug verlassen konnten, was zu einer politischen Verstimmung mit Israel und den USA führte. Die Sperrung von Schönau konnte jedoch durch die Einrichtung der „Hilfsstelle Wöllersdorf bei Wiener Neustadt des Landesverbandes des Roten Kreuzes Niederösterreich für Flüchtlinge und andere Durchreisende“ kompensiert werden.
Bis 1978 blieb der Standort am Bahnhof von Marchegg eher bescheiden, bis dort eine richtige vollwertige Filiale entstehen sollte. Der nächste Schritt im Ausbau der Bank wurde in Strasshof an der Nordbahn gesetzt. Der Ort hatte in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg eine rasante Entwicklung durchgemacht. Die Nähe zu Wien, bei relativ günstigen Grundstückspreisen, ließ die Bevölkerungszahl rasch anwachsen, sodass der Ort 1956 zur Marktgemeinde erhoben wurde. Was den Bankensektor anbelangt, hinkte die Entwicklung der Infrastruktur nach – es gab noch kein Kreditunternehmen im Ort. Unter dem damals noch ehrenamtlichen Obmann, ÖR Dr. Franz Wenzl aus Haringsee, und dem hauptamtlichen Vorstandsmitglied und Geschäftsführer, Direktor Emil Breier, wurde daher am 8. Juni 1967 ein Baugrundstück in Strasshof angekauft. An diesem Standort in der Hauptstraße 229 wurde ein Wohn- und Geschäftsgebäude errichtet. Die Eröffnung der Zweigstelle Strasshof konnte bereits am 7. September 1968, also nur etwas mehr als ein Jahr nach dem Kauf der Liegenschaft, stattfinden. Zum Zweigstellenleiter wurde Herr Herbert Lukas bestellt.
In Strasshof gab es eine absolute Besonderheit, die heute noch vielen im Gedächtnis ist, nämlich einen Autoschalter, der durch ein Fenster der Filiale aus betreut wurde. Dass dieser ausgerechnet hier entstand, war kein Zufall, ist der Ort doch auch heute noch geprägt von der langen Durchzugsstraße B 8, der Angerer Straße, die Wien über Deutsch-Wagram und Strasshof mit Gänserndorf und schließlich Angern verbindet, wo sie mit der der March entlang verlaufenden
B 49, der Bernstein Straße, zusammentrifft. Dementsprechend hoch war bereits in den vergangenen Jahrzehnten das sich immer weiter steigende Automobil-Verkehrsaufkommen. Somit war der Standort an der B 8, die gleichzeitig die Hauptstraße von Strasshof ist, der ideale Platz, einen Drive-through-Schalter nach amerikanischem Vorbild zu errichten. Die Geschichte des Drive-through-bankings nahm in den autoaffinen USA bereits 1928 von Kansas City und St. Louis, wo es die ersten dieser Einrichtungen gab, ihren Ausgangspunkt. In Europa entstand die erste Einrichtung dieser Art erst 1959 in Liverpool. So bleibt zu vermuten, dass der 1968 in Strasshof eröffnete Autoschalter einer, wenn nicht der erste im östlichen Mitteleuropa war.


Auch Fastfood-Lokale mit einem solchen Angebot gab es damals noch lange nicht in Österreich. So kann der Bankfiliale in Strasshof hier eine gewisse Vorreiterrolle zugeschrieben werden. Die zunehmende Technisierung und Digitalisierung mit Bankomaten und online-banking bereitete solchen Geschäftsmodellen ein Ende.
Die immer schnellere Bergauf-Entwicklung des Geschäftes machte in den 1970er Jahren eine neuerliche Vergrößerung der Zentrale in Gänserndorf nötig, wobei es sogar Überlegungen gab, den Standort in die Gänserndorfer Bahnstraße zu verlegen. Zwischen 1972 und 1975/76 wurde aber schließlich an Stelle des alten Gebäudes der Hauptanstalt am Dr. Wilhelm Exner-Platz ein Neubau errichtet. Während der Bauphase selbst diente das Gebäude in der Bahnstraße Nr. 28 als Ausweichquartier, bis am 6. September 1975 unter Obmann und Geschäftsführer ÖR Dr. Franz Wenzl die feierliche Eröffnung stattfinden konnte.
Gleichzeitig wurde auch das 50jährige Bestandsjubiläum der Bank gefeiert, das sich aber nicht auf die wesentlich älteren Ursprünge der Bank bezog, sondern auf den Loskauf bzw. die Gründung der Marchfelder Kreditgenossenschaft 1925 als direkten Vorgänger der Marchfelder Volksbank.
1978 wurde zum großen Jahr des Ausbaues des Filialnetzes. Auch das war kein Zufall, war doch im Jahr davor die Gründung von Bankfilialen gesetzlich liberalisiert und vereinfacht worden, was den Wettbewerb verschärfte und einen immer stärker werdenden „Kampf“ um neue Standorte nach sich zog. Die Groß-Enzersdorfer Volksbank hatte ja damals, wie erwähnt, die Niederlassung in Wien-Essling eröffnet, die Marchfelder Volksbank wurde in diesem Jahr gleich um vier Zweigstellen erweitert. In March-egg-Bahnhof wurde die kleine Niederlassung zunächst in einen angemieteten Betriebsraum neben der Zoll-Revision übersiedelt und am 1. März des Jahres eröffnet. Doch gab es hier schon bald Überlegungen einen eigenen Kiosk am Bahnhof zu errichten. Der Plan wurde aber mit der Übersiedlung in ein größeres angemietetes Gebäude am Bahnhof ad acta gelegt. Anfang November 1985 wurde schließlich dort der neue Zweigstellenbetrieb aufgenommen.
Am 11. Juni 1978 begann der Filialbetrieb in Oberweiden, wo im Haus Nr. 15 ein Geschäftsraum angemietet wurde. Als 2002 das im Gebäude des Gemeindeamtes auf Hauptstraße 25 untergebrachte Postamt geschlossen wurde, packte man die Gelegenheit beim Schopf und übernahm die dortigen Räumlichkeiten, die adaptiert wurden. Seit 23. Oktober 2003 besteht nun hier die Niederlassung der Bank, heute als SB-Filiale.
In Matzen wurde am Hauptplatz ein Geschäftslokal gemietet und für den Bankbetrieb adaptiert. Doch war dieser Filiale weniger Geschäftsglück beschieden. Einerseits hatte dort die Sparkasse Gänserndorf – Matzen, wie erwähnt, ihren Ursprung und war der örtliche „Platzhirsch“ geblieben, andererseits eröffnete die Raiffeisenkasse kurz vor der Marchfelder Volksbank dort eine Filiale. Die harte Konkurrenz führte schließlich 1990 zur Schließung des dortigen Standortes.
In Lassee, wo die Aktivitäten der Marchfelder Volksbank ja schon 1950 begonnen hatten, wurde am 24. Juli 1978 in einem Mietlokal am Hauptplatz 10 eine Filiale unter Zweigstellenleiter Walter Hansi eröffnet.
Das Geschäftslokal wurde zwischen August und Oktober 1996 erweitert und neu adaptiert. Am 10. November des Jahres fand die feierliche Neueröffnung der Filiale unter Zweigstellenleiter Christian Mayer statt. Heute befindet sich hier noch immer eine SB-Filiale der Marchfelder Bank.
Wie schon bei der Groß-Enzersdorfer Volksbank erwähnt, machte das neue Kreditwesengesetz des Jahres 1979 Änderungen bei der Bank, u.a. in Form der Bestellung eines hauptamtlichen Vorstandes, der mindestens zwei hauptamtliche Geschäftsführer umfassen musste, nötig. Dieser sollte in Hinkunft nur aus Geschäftsleitern bestehen. In der Generalversammlung vom 22. Mai 1981 wurde eine entsprechende Änderung der Satzung vorgenommen und neue Geschäftsordnungen für Vorstand und Aufsichtsrat einstimmig beschlossen. Dir. Dr. Franz Wenzl und Dir. Werner Borowansky wurden als nun hauptamtlicher Vorstand gewählt. Aus dem Personenkreis des ehemaligen ehrenamtlichen Vorstandes wurden, sozusagen als Kompensation für dessen Abschaffung, einige in den Aufsichtsrat gewählt.
Viel Neues brachte das Jahr 1990 mit sich. Mit Jahresbeginn wurde die letzte neue Außenstelle der Marchfelder Volksbank, bevor es zur Fusion mit der Groß-Enzersdorfer Volksbank kam, in Markthof eröffnet. Untergebracht war sie im Haus der Gemeinde, Markthof Nr. 45, und öffnete jede Woche für drei Stunden, um dem örtlichen Kundenkreis den Anfahrtsweg zu weiter entfernt gelegenen Filialen abzunehmen.
Die einschneidendste Veränderung und gleichzeitig das größte Ereignis dieser Jahre stand aber damals erst bevor. Seit dem Frühling 1990 wurde die Verschmelzung von Marchfelder Volksbank und Groß-Enzersdorfer Volksbank vorbereitet. Ausschlaggebende Argumente dafür waren unter anderem, dem Verdrängungswettbewerb, dem kleinere Banken ausgesetzt waren, durch die Fusion gestärkt entgegenzutreten. Dazu kamen Rationalisierung durch den Wegfall von Tätigkeiten, die bis dahin beide Banken gesondert ausüben mussten, die Reduzierung von Verwaltungskosten und freilich ein größeres Einzugsgebiet, das durch die Filialen der beiden Institute abgedeckt wurde, um nur einige wenige Gründe zu nennen. Der erste Schritt wurde dabei durch die Generalversammlungen beider Banken gesetzt, durch die es zu einer Verschränkung der Geschäftsleitung kam. Die Marchfelder Volksbank hielt die Versammlung am 22. Juni 1990 ab, wobei aufgrund eines Formalfehlers am 13. Juli eine Wiederholung stattfinden musste. Die Groß-Enzersdorfer Volksbank folgte am 26. September des Jahres.
So wurde Frau Direktor Adelinde Schrom von der Groß-Enzersdorfer Volksbank in den Vorstand der Marchfelder Volksbank gewählt. Dort übernahm sie zusammen mit Direktor Werner Borowansky von der Marchfelder Volksbank die gemeinsame Leitung des Institutes. Der bisherige Obmann und Vorsitzende des Vorstandes von Gänserndorf, ÖR Dr. Franz Wenzl, trat hingegen mit 31. August in den wohlverdienten Ruhestand. Der zweite und entscheidende Schritt erfolgte im Jahr darauf, als der Verschmelzungsvertrag am 10. Mai 1991 abgeschlossen wurde. Es folgten noch die letzten beiden getrennt stattfindenden Generalversammlungen der beiden Banken, am 7. Juni der Marchfelder Volksbank und am 14. Juni der Groß-Enzersdorfer Volksbank, in denen die jeweiligen Beschlüsse gefasst wurden. Außerdem wurden sechs Personen der ehemaligen Groß-Enzersdorfer Volksbank in den neuen gemeinsamen Aufsichtsrat gewählt. Mit der Verschmelzung der beiden Institute im Jahr 1991 wurde die Marchfelder Volksbank zur größten Regionalbank des Marchfeldes mit einer damaligen Bilanzsumme von zwei Milliarden Schilling und etwa 10.000 Mitgliedern. Der Personalstand betrug 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 16 davon hatte die Groß-Enzersdorfer Volksbank mit ihrer Filiale in Wien-Essling dabei eingebracht. Damit wurden auch Vorgaben des Strukturkonzeptes von 1986 umgesetzt, das für Volksbanken als Ideal einen Mitarbeiterstand zwischen 60 und 90 Personen und eine Bilanzsumme von 1,5 bis 3 Milliarden Schilling vorsah. Damit setzt nun die gemeinsame Geschichte der Marchfelder Volksbank ein. Auch diese Entwicklung war kein Einzelfall – zwischen 1985 und 1995 lief bei den Volksbanken in Niederösterreich allgemein eine starke Fusionswelle, die ihre Anzahl von 30 auf 19 verringerte, während gleichzeitig das Zweigstellen-Netz der verbliebenen Institute weiter verdichtet wurde. Der Trend ging immer mehr von der Lokal- zur Regionalbank.
9. Die Marchfelder Volksbank nach der Fusion mit der Groß-Enzersdorfer Volksbank