Die Zentrale der Marchfelder Kreditgenossenschaft bzw. später der Marchfelder Volksbank in Marchegg-Bahnhof - Marchfelder Bank Chronik
Die Zentrale der Marchfelder Kreditgenossenschaft bzw. später der Marchfelder Volksbank in Marchegg-Bahnhof - Marchfelder Bank Chronik

150 Jahre Regionalbank
Marchfelder Bank Chronik

Von der Deutschen Kreditanstalt AG zur Marchfelder Kreditgenossenschaft r.G.m.b.H.

Chronik Marchfelder Bank

Damit wenden wir uns nun dem nächsten der Vorgängerinstitute der heutigen Marchfelder Bank zu, über das auch die heute noch im Banknamen enthaltene geografische Zuschreibung Marchfeld ihren Eingang in den Namen fand – nämlich der Marchfelder Volksbank, deren Wurzeln ebenfalls in Marchegg liegen. Bei ihr stellt sich die Situation erneut ziemlich komplex dar, ging doch auch sie erst aus diversen Übernahmen und Umbenennungen hervor. Dabei war der Ausgangspunkt alles andere als erfreulich, denn dieser stand unter keinem guten Stern. 1922 eröffnete die Deutsche Kreditanstalt eine Wechselstube direkt am Bahnhof von Marchegg sowie eine Filiale in Marchegg-Bahnhof, die in einer ehemalige Delikatessenhandlung in der Bahnstraße 223 untergebracht war. Die Deutsche Kreditanstalt AG – nicht zu verwechseln mit Banken ähnlichen Namens – war eine dezidiert deutschnationale Bank und verfolgte mitunter einen Kurs, der politisch-ideologische Interessen über wirtschaftliche stellte.

Dass es zur Gründung einer Filiale ausgerechnet in Marchegg-Bahnhof kam, war kein Zufall, gehörten doch sowohl ein Marchegger Jurist, der maßgeblich an der Auswahl des Standortes Marchegg beteiligt war, wie auch ein prominenter deutschnationaler Politiker aus Lassee zum Führungszirkel der Bank. Bereits das Vorgängerinstitut, die „Deutsche Kreditanstalt r.G.m.b.H.“, war nach kurzer Zeit ob der wirtschaftlichen Probleme Ende 1922 liquidiert worden. Die Bank wurde noch etwa eineinhalb Jahre als eben jene Deutsche Kreditanstalt AG weitergeführt, ehe sie erneut in akute Zahlungsschwierigkeiten kam. Das kleine Filialnetz mit Niederlassungen in Niederösterreich und dem Burgenland wurde von der Zentrale in der Habsburggasse im 1. Wiener Bezirk geführt – die Adresse der Zentrale ist, wie so manches in der kurzen Historie der Bank, fast ein Treppenwitz der Geschichte, war sie doch nicht nur antisemitisch und antiklerikal, sondern auch antimonarchistisch ausgerichtet. Gerettet wurde die Deutsche Kreditanstalt AG 1924 durch die Burgenländische Zentralbank AG, die erst kurz davor aus der Sparkasse Neusiedl am See hervorgegangen war und am Minoritenplatz im Palais Dietrichstein ihre Wiener Außenzentrale hatte. Sie übernahm u.a. die Filiale in Marchegg-Bahnhof.

Süffisant schrieb die Boulevardzeitung „Die Stunde“ im Februar 1925 darüber, dass die „Hakenkreuzler“ zuerst von der „klerikal schillernden Burgenländische Zentralbank“, was die vermeintliche Nähe dieser Bank zur Kirche ausdrücken sollte, und schließlich von einem jüdischen Bankier – dem stereotypen Feindbild einer „deutscharischen Bank“ – gerettet wurden. Die Burgenländischen Zentralbank, die viel investiert hatte, suchte vehement nach einem Käufer, der wiederum in einem Londoner Bankier, der einer „ostjüdischen“ Familie entstammte, gefunden wurde. Nachdem einige verbliebene Deutschnationale, darunter auch der Politiker aus Lassee, aus dem Verwaltungsrat gestrichen worden waren, wurden 1925 die Reste der Bank als „Deutsch-Englische Kreditbank“ weitergeführt. Die Burgenländische Zentralbank AG behielt dabei aber noch kurze Zeit einige Filialen. Darunter Marchegg und Gänserndorf, wo ebenfalls eine Niederlassung der Deutschen Kreditanstalt AG entstanden war. Standort der Filiale in Gänserndorf war bereits der Dr. Wilhelm Exner-Platz Nr. 2, der 1923 diesen Namen erhielt – der heutige Marchfelder Platz –, worauf noch zurückzukommen sein wird. Die Burgenländische Zentralbank AG selbst bestand unter diesem Namen auch nur noch wenige Monate weiter und zog sich, nach einer kurzen Expansionsphase, aus dem Wiener bzw. dem Geschäft im Wiener Umland auf das Burgenland selbst zurück.

Doch betraf dies die nunmehr sogar zwei Standorte in Marchegg sowie jenen in Gänserndorf nicht mehr, denn deren Geschichte nahm erneut eine überraschende Wende. Die unsichere Lage rief eine örtliche Initiative hervor, die beiden Institute von der Burgenländischen Zentralbank bzw. deren Hauptstelle in Wien, wie sie bezeichnet wurde, loszukaufen und ein selbstständiges Bankinstitut daraus zu schaffen. Überdies standen diese Filialen sogar, als es mit der Deutschen Kreditanstalt rasant bergab gegangen war, wirtschaftlich vergleichsweise gut da. Um das nötige Kapital dafür aufbringen zu können, wurde fleißig durch Vertreter aus Politik, etwa dem damaligen Bürgermeister von Zwerndorf, und Wirtschaft die Werbetrommel gerührt. Unter anderem konnte die Gemeinde Gänserndorf dafür begeistert werden, die, für die damalige Zeit kurz nach der Einführung der neuen Währung, nicht unerhebliche 3.700 Schilling beisteuerte. Weitere Schützenhilfe bei der Gründung kam aus Lassee, Markthof und Zwerndorf. Vertreten wurde die Gemeinde Gänserndorf in dieser Sache durch Johann Haindl, der bereits als späterer Obmann des Spar- und Vorschussvereins Gänserndorf Erwähnung fand, worauf noch zurückzukommen sein wird. Es war ganz im Sinne des Genossenschaftswesens ein Zusammenschluss zur Selbsthilfe – jedoch nicht auf eines der beiden Segmente Landwirtschaft bzw. Gewerbe getrennt, wie bei vielen anderen genossenschaftlichen Bankgründungen, die entweder das eine oder das andere Segment vorrangig bedienten, sondern in diesem Falle sozusagen spartenübergreifend von Gewerbe, Handwerk und kleineren sowie mittleren bäuerlichen Betrieben. Das Institut in Marchegg-Bahnhof wurde nun zurZentrale, der Standort in Gänserndorf zur Filiale. Der eigentliche Tag der Gründung der „Marchfelder Kreditgenossenschaft r.G.m.b.H.“ war wohl der 24. Juli 1925, wenn auch der 26. April 1925 ebenfalls kolportiert wurde.

Die Zentrale der Marchfelder Kreditgenossenschaft bzw. später der Marchfelder Volksbank in Marchegg-Bahnhof - Marchfelder Bank Chronik
Die Zentrale der Marchfelder Kreditgenossenschaft bzw. später der Marchfelder Volksbank in Marchegg-Bahnhof

Wie bei den anderen hier bereits beschriebenen Instituten auch brachte die Weltwirtschaftskrise auch dieser jungen Bank Probleme ein, trotzdem konnte sie sich kontinuierlich weiterentwickeln, bis mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 große Veränderungen über die Bank hereinbrachen. Das begann bereits mit der Einführung der Reichsmark als neuer Währung am 17. März 1938, nur wenige Tage darauf, am 25. April, verlor der Schilling seine offizielle Zahlungskraft. Auch alle Konten mussten nun bis 28. März auf Reichsmark umgestellt werden. Parallel zu den anderen hier behandelten Instituten wirkte sich der Einfluss der NS-Bankenpolitik immer stärker aus. Ein erstes entscheidendes Datum war dabei der 5. Mai 1940, als die Generalversammlung der Bank die Umbenennung der „Marchfelder Kreditgenossenschaft r.G.m.b.H.“ zu „Marchfelder Volksbank r.G.m.b.H.“ beschloss.

8. Die Marchfelder Volksbank r.G.m.b.H.