150 Jahre Regionalbank
Marchfelder Bank Chronik

Von der Volksbank Marchfeld zur heutigen Marchfelder Bank eG

Chronik Marchfelder Bank

Schon in den Jahren vor 2012 geriet die Österreichische Volksbanken-Aktiengesellschaft (ÖVAG), der auch die Marchfelder Volksbank angehörte, in große Schwierigkeiten, die jedoch bis dahin so stark angestiegen waren, dass die Republik Österreich eine staatliche Stützung durch Teilverstaatlichung der ÖVAG vornehmen musste. Trotzdem brachte der Bankenstresstest der Europäischen Zentralbank 2014 eine horrende Kapitallücke bei der ÖVAG zu Tage. Um dem entgegenzuwirken, sollten die vielen kleinen Volksbanken Österreichs in acht Volksbanken und zwei Spezialbanken fusioniert werden und eine Zentralorganisation erhalten. Auf die regionalen Banken wurde dabei höchster Druck ausgeübt. Kurz gefasst hätten „gesunde Banken“ wie z. B. die Volksbank Marchfeld nicht nur ihre Selbstständigkeit aufgeben sollen, sondern auch ihr Kapital und ihre Liegenschaften zur Sanierung der ÖVAG einbringen sollen. Am 15. Juni 2015 beschloss die Generalversammlung der Volksbank Marchfeld zwar einen Verbund- und Zusammenarbeitsvertrag, ein Grundsatzbeschluss für eine Fusion mit der Volksbanken Wien AG wird aber nicht gefällt. Damit war die Lage zwiespältig, da die Fusionslandkarte, die die Eingliederung der Banken in jeweils eine der acht Volksbanken – in diesem Fall jener von Wien – Bestandteil des Zusammenarbeitsvertrages war. Für eine tatsächliche Fusion gab es aber eben keinen Beschluss.

So wurden verschiedene Lösungsansätze ins Auge gefasst – neben der Fusion und der vollkommenen „stand-alone-Variante“, war auch die Bildung einer größeren Regionalbank gemeinsam mit den Nachbarinstituten, der Volksbank Obersdorf – Wolkersdorf – Deutsch-Wagram und der Volksbank Weinviertel, verhandelt worden. Doch gaben die beiden Institute dem extremen Druck nach und schlossen sich der Volksbank Wien AG an. Obwohl der Druck immer stärker wurde, einer Fusion zuzustimmen, lehnten sowohl die Generalversammlung vom 5. April 2016 wie auch jene de facto erzwungene folgende Generalversammlung kurz danach am 21. April 2016, eine Fusion mit großer Mehrheit ab. Als Reaktion darauf wurde durch den Vorstand der Volksbank Wien AG und den Präsidenten des Österreichischen Genossenschaftsverbandes der sofortige Rücktritt von Vorstand und Aufsichtsrat der Volksbank Marchfeld gefordert. Doch hatte auch dieser nochmals verschärfte Druck keinen Erfolg – am 23. Mai 2016 erfolgte der Ausschluss aus dem Volksbankenverbund. Damit wurden der Volksbank Marchfeld aber auch alle in die zentralen Verbundeinrichtungen ausgelagerten Dienste mit 30. September des Jahres gekündigt – vom Meldewesen über den Zahlungsverkehr bis hin zum Risikomanagement. Die Finanzmarktaufsicht stellte die Existenzfähigkeit der Bank in Frage – in der Folge wurde der Vorstand viermal bei der Finanzmarktaufsicht und zweimal bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main vorgeladen. Es folgten „[…] schwierige und harte, existenzielle Verhandlungen mit der Aufsicht und den Spitzenrepräsentanten des Volksbankenverbundes […]“, doch blieb man dem eingeschlagenen Kurs treu, sodass es am 11. November 2016 zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches kam. Dieser war zwar teuer erkauft, trotzdem stand damit aber der Weg in eine Zukunft als selbstständige Bank frei.

„Mit den Beschlüssen der außerordentlichen Generalversammlung vom 22. November 2016 beginnt eine neue Ära, nämlich die Ära der MARCHFELDER BANK“, wie es damals Vorstandsdirektor Mag. Hartwig Trunner ausdrückte, der den Kampf um die Selbstständigkeit der Marchfelder Bank in vorderster Front ausgefochten hatte.

Als nun völlig selbstständige Bank gab es eine Vielzahl neuer Aufgaben zu bewältigen, da eben auch alle an die Verbundeinrichtungen ausgelagerten Tätigkeiten in Eigenregie zu führen waren, was freilich viele Ressourcen bindet. So galt es auch neue Vertriebspartner zu suchen. Dazu gehörten viele Dinge, die einem im ersten Moment gar nicht vor Augen kommen – das Formularwesen musste geändert, alle Logos entfernt bzw. erneuert werden. Genauso musste dies auch im Sport- und Kultursponsoring geschehen – Tafeln und Beschilderungen, die Bandenwerbung bei Fußballvereinen bzw. Trikots bis hin zu Aschenbechern und Servietten für Kunden aus der Gastronomie wurden mit neuem Logo ersetzt. Nicht zuletzt galt es eine Umbenennung des Volksbank-Platzes, an dem sich die Zentrale in Gänserndorf befindet, in die Wege zu leiten. Erwähnt wurde ja bereits der Beginn der dortigen Niederlassung Anfang der 1920er Jahre, als die Örtlichkeit noch Dr. Wilhelm Exner-Platz hieß. Schon einmal gab es hier eine Umbenennung, nicht zuletzt aufgrund der Situierung des Platzes, der ursprünglich auf beiden Seiten der ihn teilenden Eisenbahnlinie lag und nur durch eine Brücke verbunden ist, was mitunter zu Verwechslungen führte. So war der Vorschlag, den Teil des Platzes, an dem sich die Zentrale der Marchfelder Volksbank befand, in Volksbank-Platz umzubenennen, angenommen worden. Dass aber nun die neue Marchfelder Bank ihre Zentrale ausgerechnet an der Adresse Volksbank-Platz führte, war freilich auch keine verlockende Option. So gelang es, noch einmal eine Umbenennung des Platzes hin zum heutigen Namen „Marchfelder-Platz“ zu erwirken.

All dies und vieles mehr wurde aber bravourös gemeistert, womit sich die Lage zu normalisieren begann. In den folgenden Jahren wurde übrigens statt einer Weihnachtsfeier der „Unabhängigkeitstag“ der Bank gefeiert, um eines der wichtigsten Ereignisse in ihrer Geschichte gebührend zu würdigen.

Der schrittweise Rückbau des Filialsystems setzte in den letzten Jahren ein und ist freilich eine Sache, die weit über den Bankensektor hinausgeht. Dabei spielt der Strukturwandel, der schon mit Kontoauszugsdruckern und Bankomaten begann, hin zu einer immer stärkeren Digitalisierung eine große Rolle, womit sich der Kundenkontakt vermehrt auf die virtuelle Ebene verlagert hat. Die zunehmende Nutzung von Electronic- bzw. Mobile-Banking machte die Führung eines derart dichten Filialsystems bei gleichzeitig rückläufiger Kundenfrequenz und steigendem Verwaltungsaufwand, der aber zentral und meist digital zu bearbeiten ist, einfach nicht mehr haltbar. So mussten in den letzten Jahren einige Filialen gänzlich aufgegeben werden, so Markthof und Raasdorf 2014, noch zu Zeiten der Marchfelder Volksbank. Es folgten Orth an der Donau und Wien-Essling 2021 sowie Marchegg-Stadt 2022. Die Niederlassungen in Angern an der March, Strasshof, Oberweiden und Lassee wurden 2021 zu SB-Filialen umgestaltet.

Zu ihrem großen Jubiläum 2023 präsentiert sich die Marchfelder Bank als „eine leistungsfähige, eigenständige und flexible Universalbank im Marchfeld“.

11. Quellen, Literatur, Abbildungsverzeichnis & Danksagung